Die folgende Geschichte ist frei erfunden, auch wenn sie Ihnen
bekannt vorkommt.
Im „Rot-Grünen Eber” erklärte der Wirt Gerhard
S. seinen Gästen täglich, dass er den Bierpreis in den
nächsten vier Jahren konstant und die Belastungen in der Wirtschaft
verträglich halten möchte. Originalzitat Gerhard S.: „Bierpreiserhöhungen
wären Gift für meine Wirtschaft.”
Tatsächlich bleibt der Bierpreis in den nächsten vier
Jahren bei 2,70 Euro.
Leider erwähnte Gerhard S. nicht,
- dass die Gläsergröße den veränderten wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen (dem neuen Gläserregal) angepasst und von
0,5 auf 0,4 Liter gesenkt
- und im Zuge der Gesundheitswochen im „Rot-Grünen
Eber” 20 % des Inhalts durch vitalisierendes Leitungswasser
ersetzt wurden.
Gerhard S. erläuterte den sozialen Erfolg seiner Maßnahmen
gegenüber der örtlichen Presse. „Endlich können
auch Nicht-Alkoholgewöhnte bei mir an einem Abend fünf
Bier trinken und müssen sich nicht mehr sozial zurückgesetzt
fühlen.”
Der Mann der Zapfanlage (Jürgen T.) führte unterdessen
weitere Reformen in der Bewirtung durch:
- Um die „ökologischen Belastungen durch das Herunterkühlen
des Gerstensafts auf eine den Gewohnheiten der Gäste entsprechende
Temperatur” verursachergerecht umzulegen, wurde eine Kaltbierabgabe
von 20 Cent je Glas eingeführt.
Jürgen T.: „Selbstverständlich hat dies bei
umweltgerechtem Verhalten keine Auswirkungen auf den Bierpreis -
wir bieten deshalb künftig auch Bier in Zimmertemperatur an.”
- Um den „zunehmenden Wasserverbrauch durch das ständige
Spülen der Gläser” zu begrenzen, wurde ein „Prilcent”
von 10 Cent je Glas erhoben.
Jürgen T.: „Selbstverständlich bleiben wir
auch hier sozial ausgewogen und bieten einen absolut spülfreien
Gläserpool an.”
Die Kellnerin (Ulla S.) nahm sich unterdessen der Biernebenkosten
an:
- Es wurde eine Bierdeckelpauschale von 20 Cent eingeführt.
Ulla S.: „Durch diese Maßnahme konnten aufwendige
Reformen in der langfristigen Getränkeversorgung erfolgreich
verschoben werden.”
- Es wurde eine Trinkgeldpauschale von 50 Cent je Glas eingeführt.
Ulla S.: „Das bisherige System der individuellen Trinkgeldvergabe
war sozial unausgewogen - gerade die größten Bierverbraucher
neigten dazu, ein im Vergleich zur Biermenge nur unterproportional
ansteigendes Trinkgeld zu geben.”
Der Kassierer (Hans E.) sorgte unterdessen für eine Konsolidierung
der Kassenlage:
- Die Herausgabe des Wechselgeldes wurde pauschal um 20 % gekürzt.
- Die Spekulationsgewinne der örtlichen Skatrunde, die traditionell
im „Rot-Grünen Eber” zockte, mussten jetzt zu
50 % mit ihm geteilt werden (zu Hans E.s Leidwesen zockt die Runde
jetzt in einem nahen Steuerparadies - dem Irish Pub).
- Ausnahmetatbestände (das Anschreiben der Rechnung) wurden
aus Vereinfachungsgründen ersatzlos gestrichen.
- Als weiterer Ausnahmetatbestand wurde die bislang reduzierte
Toilettenbenutzungsgebühr für männliche Pissoirpinkler
(Stehpinklerrabatt) dem allgemeinen Satz für sitzende Verrichtungen
angepasst.
Kassierer Hans E.: „Es gibt und gab keine Gebührenerhöhung,
weil die Bemessungsgrundlage die gleiche geblieben ist.”
Am Ende der vierjährigen Pachtperiode verkündete die Mannschaft
des „Rot-Grünen Ebers” stolz: „Wir
haben unser gesetztes Ziel erreicht: Der Bierpreis blieb konstant!
Leider konnten wir uns dem allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld nicht
entziehen. Völlig unvorhergesehen trafen uns Gästeverschiebungen
in umliegende ‚Billigwirtschaften‘ ohne sozial/ ökologisch
ausgewogene Gästekonzepte. Dadurch konnte die Zielvorgabe der
Gaststätteninnung (Wirte sollten nicht mehr als 3 % ihres Biers
selbst trinken) nicht ganz erreicht werden. Wir sind aber bemüht,
diese Ungleichgewichte dadurch auszugleichen, dass wir unser erfolgreiches
Konzept auch auf alle anderen europäischen Wirtschaften übertragen.”
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